Ihre Ursprünge reichen zurück in die 80er Jahre, doch sie ist heute so relevant wie nie: Die Slow Food-Bewegung. Die Wurzeln dieser Bewegung liegen in Italien, wo Carlo Petrini und eine Gruppe Aktivist*innen das Ziel hatten, regionale Esskulturen zu bewahren und auf die negativen Folgen der Schnelllebigkeit aufmerksam zu machen. Was 1986 in Rom als Gegenbewegung zum Kapitalismus und der Industrialisierung begann, ist heute auch mit Blick auf unser Klima relevant. Klingt nach Verzicht? Ganz im Gegenteil: Slow Food tut der Seele gut – wir zeigen dir, wie!
Die Slow Food-Bewegung
Was ist „Slow Food“?
Die Slow-Food-Bewegung hat ihren Ursprung im Rom der 1980er Jahre und ist heute eine weltweite Philosophie, die Genuss, Nachhaltigkeit und Respekt für traditionelle Esskultur vereint. Gegründet, um lokale Lebensmitteltraditionen zu bewahren und die Verbindung zwischen Konsument*innen und Produzent*innen wiederherzustellen, ist Slow Food mehr als nur eine Bewegung gegen Fast Food – es ist ein Lebensstil.
Was sich anfangs auf die italienische Essenskultur beschränkte, wurde zu einer globalen Bewegung zur Bewahrung von weit mehr als nur der italienischen Küche. Die daraus resultierenden Grundpfeiler beruhen auf der Erkenntnis, dass Qualität, Herkunft und Produktionsweise von Lebensmitteln direkte Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Umwelt haben.
Der Begriff Slow Food bezeichnet zum einen die gemeinnützige Organisation, die Carlo Petrini 1989 in Italien ins Leben rief. Ihr Ziel: regionale Esskulturen schützen, den Genuss hochwertiger Lebensmittel fördern und auf nachhaltige und faire Produktionsweisen aufmerksam machen. In den Fokus rücken dabei Lebensmittel, die gut für die Produzent*innen, die Konsument*innen und unseren Planeten sind. Folglich bezeichnet der Begriff Slow Food auch allgemein die Lebensweise, die das bewusste Genießen und nachhaltige Konsumieren in den Mittelpunkt stellt. Es geht darum, saisonale Lebensmittel zu schätzen, sie selbst zu verarbeiten, Umweltbelastungen zu reduzieren und lokale Produzent:innen zu unterstützen.
SLOW FOOD
Geschichte & Philosophie
Die Bewegung begann, als Carlo Petrini in den 1980er Jahren erkannte, wie die Industrialisierung die Verbindung zwischen Konsument:innen und Produzent:innen zunehmend kappte. Ein zentrales Ereignis in Italien gab den Anstoß zur Gründung von Slow Food:
Ein geplanter McDonald’s im Herzen Roms
Als bekannt wurde, dass ein Fast-Food-Restaurant an der Piazza di Spagna eröffnen sollte, führte dies zu Protesten. Unter anderem organisierte Carlo Petrini 1986 an der spanischen Treppe ein großes Spaghetti-Essen als Protest gegen den Fast Food-Boom – rückblickend wohl der Grundstein für die weltweite Slow Food-Bewegung. Petrini wollte jedoch nicht nur gegen die Schnelllebigkeit protestieren, sondern die kulturellen Werte der italienischen Küche betonen und bewahren.
1989 unterzeichneten Delegierte aus 15 Ländern in Paris das erste Manifest der Slow-Food-Bewegung, das die Lebensqualität, den Genuss von Essen und den Schutz lokaler Traditionen in den Fokus rückte. Heute basiert Slow Food auf drei zentralen Prinzipien:
- GUT: Lebensmittel, die schmackhaft, nährstoffreich und hochwertig sind.
- SAUBER: Produktionen, die die Umwelt respektieren und möglichst wenig belasteten.
- FAIR: Bedingungen und Preise, die sowohl Konsument:innen als auch Produzent:innen gerecht werden.
Diese Prinzipien sind die Grundlage für eine Lebensmittelkultur, die nachhaltig und verantwortungsvoll mit der Erde und ihren Ressourcen umgeht. Sie fördern nicht nur den bewussteren Umgang mit Lebensmitteln und die Erhaltung traditioneller Küchen, sondern berücksichtigen auch, dass die Produkte so gut es geht von lokalen Kleinproduzenten und aus nachhaltiger Landwirtschaft stammen und im besten Fall saisonal sind. Darüber hinaus legt die Slow Food Bewegung großen Wert auf Bildung und Sensibilisierung. Dies beinhaltet die Vermittlung von Wissen über die Herkunft von Lebensmitteln, Rezepten bzw. Anleitungen für Selbstgemachtes (vom Brot bis hin zum Kompott), Kochtraditionen und die gesellschaftlichen Auswirkungen von Essgewohnheiten.
Slow Food ist mehr als eine Rückkehr zum Genuss. Es verbindet die Freude am Essen mit Verantwortung und ermöglicht uns, bewusster zu leben.
Slow Food-Tipps für deinen Alltag
Du hast auch Lust, im Alltag mehr auf regionale, saisonale und handgemachte Lebensmittel zu setzen? Was erst mal kompliziert klingt, ist eigentlich gar nicht schwer. Zumindest lassen sich einige Punkte recht schnell in das eigene Leben integrieren. Und es muss ja auch nicht alles auf einmal und schon gar nicht perfekt sein. Slow Food ist immerhin keine schnelle Entscheidung, sondern ein Prozess. Oder: eine Sammlung von Gewohnheiten, die uns helfen, bewusster und nachhaltiger zu leben. Hier sind einige Ideen:
Regional, saisonal & bio einkaufen
Hand auf’s Herz: Wie oft achtest du bei Lebensmitteln darauf, dass sie aus der Region kommen, aus Bio-Anbau stammen oder zumindest Saison haben? Wir nehmen uns hier selbst gar nicht raus – auch wir kaufen Tomaten im Winter und verarbeitete Produkte, obwohl wir wissen, dass beides im Gegensatz zu Slow Food steht. Aber das ist genau das, was ich im vorherigen Absatz meinte: Es geht nicht darum, alles perfekt zu machen. Sondern vielmehr um ein Bewusstsein für Lebensmittel. Was du davon dann in einen Alltag integrierst, ist dir überlassen.
Im Fall von „regional, saisonal, bio“ kann das sein, darauf zu achten, dass die Tomaten im Sommer aus Deutschland kommen und nicht aus Spanien. Oder einen Käse aus einer lokalen Käserei zu kaufen. Oder beim Kaffee auf lokale Röstung, nachhaltige Produktion und faire Bedingungen zu achten. Neben regionalen Märkten und kleinen Produzent*innen hilft mir ein Saisonkalender* enorm, um zu wissen, welches Obst und Gemüse überhaupt wann Saison hat.
Selbst kochen
Was so simpel klingt, geht in der Hektik des Alltags doch leider viel zu oft unter: Wer aus frischen Zutaten selbst kocht, hat die maximale Kontrolle über die Herkunft der Zutaten. Hinzu kommt: Selbst zu kochen, schafft nicht nur eine Verbindung zu deinen Lebensmitteln, sondern fördert auch den Genuss jedes einzelnen Bissens. Und: Kochen kann der mentalen Gesundheit gut tun. Wissenschaftler*innen sagen nämlich, dass es gut für die Psyche ist, wenn wir etwas mit unseren Händen tun (Stichwort: „Effort driven rewards cycle“).
Kochen ist nicht so dein Ding? Wie sieht’s mit Backen aus? Ich backe beispielsweise seit einigen Monaten eigenes Brot und der Unterschied zu industriellem Brot ist – im Geschmack, der Sättigung und der Bekömmlichkeit – immens. Plus: Es macht wahnsinnig viel Spaß! Darüber hinaus kann es helfen, eher simple Rezepte mit wenigen Zutaten zu kochen (mehr dazu im Absatz „Inspiration – Bücher & Co“) oder mit traditionellen Rezepten zu experimentieren, vergessene Lebensmittel neu zu entdecken und Kindheitserinnerungen zu wecken.
Lebensmittelverschwendung reduzieren
Dieser Punkt fällt mir wirklich leicht – und ich bin sicher, das schafft jeder: Matthias und ich schmeißen fast nie Lebensmittel weg, obwohl wir oft unterwegs sind. Das gelingt zum einen durch gute Planung (wir haben einen wöchentlichen Meal Planner), einem Kühlschrank mit verschiedenen Kältezonen und einem dunkeln Ort für Kartoffeln & Co. Und wenn’s doch mal kurz vor knapp ist, wird Matthias kreativ und mixt alle Reste zusammen. Die Kreationen sind manchmal etwas eigensinnig, haben bisher immer geschmeckt. Und so landet nichts im Müll 🙂
Selbst anbauen
Zugegeben, hier darf ich auch noch ein bisschen üben. Zumindest nahm die erste Saison meiner Gärtnerkarriere letzten Sommer gleich mehrfach ein jähes Ende – erst sind mir meine selbst gezogenen Tomatenpflanzen eingegangen und die gekauften sind dann vertrocknet. Immerhin rund 20 Cherry Tomaten konnte ich ernten, aber ich gebe zu: Da ist noch Luft nach oben!
Wenn dein grüner Daumen ähnlich ausbaufähig ist oder du einfach nicht so viel Platz hast, können eigene Kräuter ein guter Start sein – das klappt auf dem kleinsten Balkon und sogar in Fensterkästen. Vielleicht geht es dir ja wie mir und du findest trotz aller Hindernisse sogar Spaß an dem Thema. Ich werde jedenfalls nächstes Jahr einen neuen Versuch wagen!
SLOW FOOD
Inspiration – Bücher & Co
Genau wie die Slow Living-Bewegung erfreut sich auch das Thema Slow Food in den letzten Jahren einer immer größer werdenden Beliebtheit. Besonders seit der Pandemie befassen sich viele Menschen mit der Herkunft und Verarbeitung ihrer Lebensmittel. Diese Bücher & Webseiten sind tolle Inspirationsquellen:
Slow Food – Die offizielle Seite der weltweiten Slow Food Bewegung.
„Slow: Einfach leben“* von Brooke McAlary (die „Slow Living Bibel“; gute Basis, um auch die Slow Food-Bewegung zu verstehen)
„Simple. Das Kochbuch: Überraschend einfach, immer besonders“* von Ottolenghi
Slow Food Deutschland – Die offizielle Seite der deutschen Slow Food Bewegung.
The Kinfolk Table: Recipes for Small Gatherings* von Nathan Williams (und auch die Ausgabe zu „Garden“)
„Das neue Buch vom Leben auf dem Lande“* von John Seymour (quasi die „Selbstversorger-Bibel“ mit ALLEM, was man wissen muss)
Die Vorteile von Slow Food
Umwelt- und Sozialauswirkungen erkennen und reduzieren
Die industrielle Landwirtschaft ist einer der größten Treiber von Umweltzerstörung. Sie verursacht 30 % der weltweiten Treibhausgasemissionen und über ein Viertel der gesamten Landfläche der Erde wird für Viehzucht und Tierfutteranbau genutzt. Indem wir bewusster konsumieren und auf nachhaltige Praktiken achten, können wir diese Belastungen verringern.
Saisonale, nahrhafte Lebensmittel genießen
Obst und Gemüse, das im Einklang mit den Jahreszeiten geerntet wird, hat nicht nur einen intensiveren Geschmack, sondern auch eine höhere Nährstoffdichte. Saisonal zu essen bedeutet auch, die lokale Landwirtschaft zu unterstützen und weniger auf lange Lieferketten angewiesen zu sein.
Unsere kulinarische Vielfalt schützen
Die Slow-Food-Bewegung setzt sich aktiv für die Bewahrung gefährdeter Lebensmittel und Zubereitungsweisen ein. Initiativen wie die „Arche des Geschmacks“ dokumentieren bedrohte Produkte und fördern das Bewusstsein für traditionelle Lebensmittel, die sonst in Vergessenheit geraten könnten.
Die Slow-Food-Bewegung zeigt uns, wie wir durch kleine, bewusste Entscheidungen nicht nur die Umwelt, sondern auch unsere eigene Lebensqualität verbessern können. Mit jedem lokal produzierten Apfel, jeder selbstgekochten Mahlzeit und jeder bewussten Konsumentscheidung tragen wir dazu bei, eine Kultur des Respekts und der Nachhaltigkeit zu fördern.
Also, warum nicht heute damit anfangen? Probier ein saisonales Rezept aus, entdecke die Vielfalt deines lokalen Marktes oder pflanze deine ersten Kräuter. Slow Food ist mehr als nur Essen – es ist eine Einladung, das Leben mit allen Sinnen zu genießen.
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