Wir lieben Reisen. Was für jeden von uns schon vor unserer gemeinsamen Zeit eine Leidenschaft war, wurde kurz nach unserem Kennenlernen eine unserer größten Gemeinsamkeiten, die uns seit dem ersten Tag verbindet. Und inzwischen ist es sogar oft ein wesentlicher Teil unseres Jobs. Doch je mehr wir gereist sind, desto weniger konnte ich die Erlebnisse genießen und verarbeiten. In unserem Sabbatical 2021 wurde uns klar, dass wir viele Jahre zuvor mehr einer Bucket List hinterhergerannt sind, als unsere Ziele wirklich zu erleben. Wir überlegten, warum es uns im Sabbatical mit unserem Camper endlich wieder gelang, die Länder, die wir bereisten, richtig zu fühlen. Irgendwann wurde uns klar: Es war die Art der Reise und das Tempo. Langsam, authentisch und nah am Alltag der Locals statt höher, schneller, weiter. Im Grunde war unser Sabbatical unsere erste Slow Travel-Erfahrung. Seitdem ist Slow Travel unsere liebste Art des Reisens. In diesem Guide haben wir die wichtigsten Hintergründe und viele Tipps für deine Reisen für dich zusammengefasst…
Die Slow Travel-Bewegung
Was ist „Slow Travel“?
Auch wenn es wörtlich übersetzt so wie viel „Langsames Reisen“ bedeutet, umfasst Slow Travel weit mehr als die Geschwindigkeit der Reise. Es geht – genau wie bei Slow Living – vielmehr um die Art des Reisens und des Erlebens: Bewusst, achtsam, umweltverträglich und ja, vielleicht auch minimalistisch(er). Letzteres bedeutet natürlich nicht, dass du in abgerockten Unterkünften nächtigen, durch die Natur fernab jeglicher Zivilisation wandern und nur kostenlose Erlebnisse buchen musst. Die Idee ist stattdessen, beispielsweise auf kleinere Boutique Hotels, familiengeführte BnBs, Tiny Häuser, Glamping, außergewöhnliche Unterkünfte und authentische Erlebnisse zu setzen, statt auf riesige All Inklusive-Hotels, Kreuzfahrten und eigens für den Tourismus erfundene Veranstaltungen.
Viele Menschen haben keine Möglichkeit, monatelang um die Welt zu reisen – sei es wegen Arbeit, Familie oder anderer Verpflichtungen. Aber selbst in einem zweiwöchigen Urlaub kannst du dir Raum für Entschleunigung schaffen. Slow Travel bedeutet, aufmerksam und bewusst unterwegs zu sein, die bereisten Länder und Eindrücke wahrzunehmen, genau hinzuschauen und der regionalen Kultur, Küche und Locals mit offenen Augen zu begegnen. Es geht um umweltverträgliches Reisen statt Massentourismus. Es geht um das Leben im Moment. Letztlich muss aber natürlich jede*r für sich selbst herausfinden, was das im Konkreten bedeutet, denn: Es gibt kein Patentrezept für Slow Travel.
SLOW TRAVEL
Geschichte & Philosophie
Die Ursprünge von Slow Travel gehen – genau, wie die von Slow Living – auf die Slow Food-Bewegung der 80er Jahre zurück (mehr dazu in unserem Slow Food-Guide). Alle drei Bewegungen haben vieles gemeinsam: Den Fokus auf dem (Er)Leben im Moment, das Bewusstsein für die kleinen Dinge, Achtsamkeit, Qualität statt Quantität und den Blick für das Wesentliche. Während es bei Slow Living vor allem um den Alltag und das Leben zu Hause geht und Slow Food sich auf Ernährung konzentriert, dreht sich bei Slow Travel alles um Reisen und Urlaub. Inzwischen wurde die Philosophie der Slow-Bewegung auf viele weitere Lebensbereiche übertragen – von der Kleidung bis hin zur Arbeit. Und in einem sind sich alle in der Slow-Bewegung einig: Dass es wichtiger ist, das Leben bewusst zu genießen, statt es im Eiltempo zu konsumieren. Die Hintergründe und das Mindset sind also in allen Lebensbereichen sehr ähnlich…
Slow Travel ist der Gegenentwurf zu hektischem Massentourismus. Es lädt dich ein, langsamer unterwegs zu sein und bewusste Entscheidungen zu treffen, die dir ermöglichen, die Landschaft, Kultur und die Menschen deines Reiseziels wirklich kennenzulernen.
Slow Travel-Tipps für deine Reisen
Wenn du bis hierhin gelesen hast, interessiert dich das Slow Travel-Thema vermutlich. Deshalb kommen hier acht simple Tipps, mit denen du auf Reisen und im Urlaub in Zukunft achtsamer, entschleunigter und bewusster unterwegs bist…
Sich Zeit nehmen
Auch wenn es bei Slow Travel nicht (nur) um das Reisetempo an sich geht, spielt Zeit natürlich schon eine Rolle: Wer das Tempo rausnimmt, der Hektik entflieht und sich Zeit lässt, erlebt seine Ziele bewusster, aufmerksamer und sicher auch intensiver. Ob das bedeutet, dass du langsamer reist, dir beispielsweise pro Reisetag weniger vornimmst oder auf entschleunigende Erlebnisse setzt, bleibt natürlich dir überlassen.
Übrigens beginnt „sich Zeit nehmen“ bereits bei der Vorbereitung und Anreise. Wir alle kennen es: Wir packen auf den letzten Drücker, hetzen zum Bahnhof oder Flughafen und kommen völlig gestresst am Ziel an. Wer sich bereits vorab etwas mehr Zeit für all‘ diese Dinge nimmt, startet den Urlaub oft bereits bei der Anreise. Frei nach dem Motto: Der Weg ist das Ziel… 🙂
Besondere Unterkünfte statt All Inklusive-Hotel
Massentourismus und All Inklusive-Urlaub sind das komplette Gegenteil von Slow Travel: Du verschwindest in der Masse an Menschen, es gibt kaum authentischen und familiären Kontakt – vom negativen Einfluss auf die Umwelt durch Lebensmittelverschwendung & Co ganz zu schweigen.
Wenn du Lust auf Entschleinigung und bewusstes Reisen hast, lohnt es sich immer, auf kleine (familiengeführte) Boutique Hotels, AirBnBs, Tiny Häuser oder andere außergewöhnliche Unterkünfte zu setzen. Dort ist nicht nur der Kontakt familiärer und die Anzahl an Menschen viel geringer, sondern meist werden diese Unterkünfte auch umweltverträglicher und authentischer geführt. Das heißt aber noch lange nicht, dass du auf etwas verzichten musst. Ein hausgemachtes Frühstück aus lokalen Zutaten steht dem großen Buffet mit Speisen im Überfluss beispielsweise in absolut nichts nach!
Und wenn es doch mal ein Wellness-Urlaub oder etwas mehr Luxus sein soll, versuchen wir immer, kleinere Hotels mit einer überschaubaren Zimmeranzahl und einem Fokus auf Nachhaltigkeit und/oder Slow Travel zu finden. Zum Glück gibt es da inzwischen weltweit echt eine gute Auswahl 🙂
Erwartungen und Druck reduzieren
Ganz viel Stress und Hektik auf Reisen hängen eng mit Erwartungen zusammen: Wir wollen ein Ziel unbedingt abhaken können, jede Sehenswürdigkeit gesehen haben und quetschen möglichst viele „to dos“ in meist zu wenig Urlaubstage. Stichwort „FOMO“ – „fear of missing out“ oder auch: Die Angst, etwas zu verpassen. Hinzu kommt, dass wir uns auferlegen, dass man dies und jenes „gesehen haben muss“ – auch wenn wir tief in uns drin vielleicht eigentlich ganz anderer Meinung sind.
Ein Faktor von Slow Travel ist es, diesen Druck rauszunehmen. Du entscheidest, was und wie viel du wann sehen möchtest. Und wenn das bedeutet, dass du an einem sonnigen Tag ins Museum gehst, statt die Natur zu erkunden oder an einem Regentag eine Wanderung machst (auch wenn auf den Fotos dann der Sonnenuntergang fehlt) ist das völlig in Ordnung. Es ist deine Reise. Deine Erlebnisse. Deine Entscheidung!
Der Blick für die kleinen Momente
Wir alle erinnern uns wohl an die großen Momente unserer Reisen: Das erste Mal vor dem Eiffelturm stehen, die Niagara Falls bestaunen oder zu einem Vulkan in Island wandern. Aber oftmals sind es die vielen kleinen Momente dazwischen, die uns genauso in Erinnerung bleiben und Reisen zu dem Erlebnis machen, das sie sind: Der Plausch mit dem alten Herren auf der Parkbank in gebrochenem Französisch, die leckeren Cookies von dem kleinen Diner an der Ecke oder der überwältigende Sternenhimmel in der Weite Islands. Wenn wir unsere Augen für genau diese Momente offen halten, lernen wir so viel mehr über unser Ziel und uns, als wenn wir von einem Must See zum nächsten hetzen…
Genau das war übrigens auch eines meiner größten Learnings im Sabbatical: Wir haben die beliebte Insel Zakynthos bereist, Schildkröten gesehen, die Akropolis, den Poseidon Tempel, Olympia und Delphi besucht, viele andere „Must Sees“ erlebt und sogar segeln gelernt. Aber die Momente, an die ich noch heute am häufigsten denke, sind die Abende am Lagerfeuer mit Camp Nachbarn oder Freunden, das leckere Bougatsa (griechische Süßspeise) aus der unscheinbaren Bäckerei an der Ecke, der überwältigende Sternenhimmel und dieser eine Nachmittag, als wir mit unserer Segelschein-Gruppe von einem Sturm überrascht wurden. Es sind genau diese unerwarteten Momente, die diese Reise für uns mit zur schönsten Zeit unseres Lebens gemacht haben. Keiner davon wäre planbar gewesen und jeden einzelnen hätten wir verpasst, wenn wir nur von A nach B gehetzt wären – und genau das macht sie so besonders!
In der Nebensaison reisen
Das ist einer der wenigen Punkte, die Matthias und ich schon recht lange beherzigen – wenn auch viele Jahre eher unterbewusst. Da Matthias bis 2021 in Vollzeit als Lehrer gearbeitet hat, waren wir immer an die Ferien gebunden. Fernreisen in viele asiatische Länder waren deshalb beispielsweise nur im Sommer möglich. So ergab es sich, dass wir zur Nebensaison (im deutschen Sommer) unter anderem in Singapur, Thailand, Malaysia und auf den Malediven waren. Außerdem waren wir in den deutschen Winterferien in Island und verliebten uns Hals über Kopf in den rauen Februar dort. So sehr, dass wir 2024 zurück kamen – wieder im Winter!
Wenig überraschend haben wir auf all‘ diesen Reisen zur Nenebsaison die Erfahrung gemacht, dass viele Unterkünfte und auch Erlebnisse nicht nur günstiger, sondern auch viel weniger frequentiert sind. Besonders krass fällt uns das bis heute bei Zielen auf, die teuer und zugleich beliebt sind – wie beispielsweise Island. Dort haben wir im Febraur 2024 nicht nur deutlich weniger für die Unterkünfte bezahlt als im Hochsommer, sondern hatte so manchen Ort auch (fast) für uns alleine.
Wenn du also keine Lust auf Menschenmassen und Hektik hast, lohnt es sich, in der Neben- oder Zwischensaison zu reisen. Die Nachteile sind oftmals wirklich zu vernachlässigen. Viele asiatische Länder haben im deutschen Sommer beispielsweise Regenzeit. Das beutetet aber nicht, dass es rund um die Uhr regnet, sondern vielleicht mal eine Stunde am Tag. Im Gegenzug hast du viele Orte für dich allein, kommst schneller mit Locals in Kontakt und zahlst deutlich weniger…
Offen auf Locals zugehen
Ganz egal, ob bei geführten Touren, während eines Kochkurses oder einfach nur auf der Straße: So oft waren es besonders die Begegnungen mit Locals, die uns langfristig im Gedächtnis geblieben sind. Selten haben wir die gleiche Sprache gesprochen, nicht immer klappte es auf Englisch, aber jedes Mal mit „Händen und Füßen“. Wer offen auf Locals zugeht, lernt nicht nur mehr über Land und Leute und erfährt oft spannende Insider Tipps – auch das Gefühl für ein Land und seine Kultur wird viel stärker, wenn man sich mit den Menschen austauscht, die dort leben.
Die lokale Küche entdecken
Egal, ob Street Food auf die Hand, ein Picknick im Park oder Sterneküche aus regionalen Zutaten: Liebe geht durch den Magen – das gilt auch auf Reisen. Wer die Seele und das Herz eines Landes erleben will, kommt um die regionale Küche nicht drumherum. Ob du dir einen Tisch in einem exklusiven Restaurant mit typischen Gerichten buchst, an einem Kochkurs teilnimmst oder dich einfach durch Straßenstände und Märkte futterst, spielt keine Rolle: Hauptsache, du lernst die Landesküche kennen. Oftmals lohnt es sich übrigens auch, die eigene Komfortzone dabei ein bisschen zu verlassen und etwas ganz Neues auszuprobieren…
Zu Fuß gehen
Was fast selbstverständlich klingt, macht für uns einen so großen Unterschied: Zu Fuß gehen. Gerade in Städten lernst du so viel mehr kennen, wenn du möglichst viel läufst, statt immer nur per Bahn oder Taxi von A nach B zu fahren. Wir waren beispielsweise bereits vier Mal in New York und sind jedes Mal exrem viel gelaufen. Das hat dazu geführt, dass wir ein so diverses Bild der Stadt mit all‘ ihren Facetten kennengelernt haben, wie es sonst nicht möglich gewesen wäre. New York hat sich mit jedem Besuch ein bisschen mehr in unser Herz gezaubert und trust me: Das Gefühl, nach einer gewissen Zeit an einem Ort erste Ecken ohne Navi zu finden oder sie beim nächsten Besuch aus dem Kopf wiederzufinden, ist unbezahlbar! 🙂
In Regionen/Ländern, in denen laufen schwierig ist (Bali ist ein gutes Beispiel, weil es in vielen Orten einfach fast keine Gehwege gibt), leihen wir uns Fahrräder oder einen Roller. Je nach Verkehr sollte man dazu natürlich sicher am Steuer sein. Aber wenn das der Fall ist, lernst du auch so wahnsinnig viel von deinem Ziel kennen.
SLOW TRAVEL
Inspiration – Bücher & Co
Genau wie die Slow Living-Bewegung erfreut sich auch das Thema Slow Travel in den letzten Jahren einer immer größer werdenden Beliebtheit. Besonders während der Pandemie haben viele Menschen die Vorzüge des langsamen Reisens entdeckt. Diese Bücher & Webseiten sind tolle Inspirationsquellen:
„Slow: Einfach leben“* von Brooke McAlary (die „Slow Living Bibel“; gute Basis, um auch die Slow Travel-Bewegung zu verstehen)
„The Art of Slow Travel“* von Bhavana Gesota (leider nur auf Englisch erhältlich, aber dennoch sehr lesenswert!)
Kinfolk Travel: Slower Ways to See the World* von Nathan Williams
„Simply Slow Traveler“ (Instagram-Account zum Thema Slow Travel von Sonia Mota)
„The Slow Traveler“ (Instagram-Account zum Thema Slow Travel von Carolyn Stritch)
„The Slowdown Hotels“ (Sammlung von Hotels mit Slow Travel-Fokus)
Wir hoffen, wir konnten dir das Thema Slow Travel mit diesem Guide ein bisschen näher bringen und dir vor allem zeigen, dass es nicht darum, alles perfekt zu machen!
Slow Travel ist nämlich nicht nur eine Art zu reisen, sondern eine Perspektive auf das Leben. Es fordert dich auf, Momente intensiver wahrzunehmen und das Leben in seiner ganzen Fülle zu schätzen. Ob du in einem kleinen Gästehaus übernachtest, in einer lokalen Trattoria isst oder dich mit der Geschichte und Kultur deines Reiseziels auseinandersetzt – Slow Travel bringt dich näher an das, was das Reisen so besonders macht: echte Begegnungen, inspirierende Geschichten und die Möglichkeit, deinen Blick auf die Welt zu erweitern.
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